Donnerstag, 17. Mai 2012

Glück im Unglück: Aufstieg an Auffahrt

Es ist schon eine Weile her, doch bekantlich informiert man noch besser spät als nie. Es gab schon unzählige Mutmassungen von Menschen die nicht mal einen von uns kennen, was denn passiert sei etc. Gerne möchten wir gemeinsam kurz erläutern was an Auffahrt also am 17. Mai 2012 in Herrliberg beim Grossen Parkplatz (Steinrad) passiert ist.

Bild: 20 Minuten online - Leserreporter












Ich (Sandro) und Ueli haben uns am 17. Mai 2012 zu einem gemütlichen Feiertags-Nachmittags-Tauchgang verabredet, am grossen Parkplatz in Herrliberg. Ich war bereits am See, da dies mein 2. Tauchgang werden sollte. Nach einer längeren Mittagspause und nach einigen interessanten Gesprächen mit ein paar andern Tauchern an der Ermitage, machte ich mich also auf den Weg zum grossen Parkplatz und traf mich mit Ueli.

Nachdem wir ein kurzes Briefing für einen "Standard"-40m Tauchgang machten, wie wir sie schon zusammen häufig gemacht hatten, schraubten wir unsere Gerätschaften zusammen. Auf dem Plan standen heute Übungen wie ein Freiwasserabstieg auf 20m sowie das Setzen einer Boje beim Deepstop und vielleicht die ein oder andere Übung (Überraschung) beim SafetyStop auf 5m.

Trotzdem Ueli und ich unsere gegenseitige Ausrüstung kennen, führten wir den Buddycheck ordnungsgemäss an Land durch; Tarierung, Blei, Schnallen, Luft, Kompass, Computer und Lampe waren in Ordnung und so schwommen wir raus in den strahlenden Sonnenschein. Man konnte den Boden gut sehen auch in 10-15m Tiefe noch; wir entschieden uns deshalb nicht mehr weiter rauszuschwimmen, damit es wirklich nur max. 20m sind. Ein letzter Check - ok? ok! und los ging es. Beide tauchten ab auf die ca. 17m. Während dem Abstieg kurz geprüft ob irgendwas blubbert oder nicht funktioniert, was nicht der Fall war. Unten angekommen, signalisierte ich dann, dass wir Richtung Rapperswil tauchen und langsam auf die 40m gehen, um allfällige Probleme erkennen zu können. Wir tauchten, aufgrund der guten Sicht, etwas weiter vom Ufer weg und bei jeder 5m-Nachfrage ob alles in Ordnung ist, wurde dies bestätigt (Fehler 1).

Auf 40m angekommen, signalisierte Ueli, dass wir wieder etwas näher zum Ufer tauchen sollten, was wir sofort gemacht haben. Während dem Schwimmen in Richtung Ufer blies plötzlich mein Automat ab, etwas was wir schon das ein oder andere Mal geübt hatten seit dem Brevet und ich mit andern Tauchpartnern auch schon das ein oder andere mal erlebt hatte in der passiven Rolle. Ich signalisierte Ueli, dass er mir das Hauptventil zudrehen sollte. Ich drückte ihm dabei meinen Hauptautomaten in die Hand anstatt diesen fest zu halten (Fehler 2). Beim Wechsel auf den Oktopus schluckte ich etwas Wasser das noch in der Automatenkammer war und kaum hatte ich mich davon erholt, kam keine Luft mehr vom Oktopus - anscheinend wurde im Stress der falsche Hahn zugedreht (Fehler 3). Nun kam zum erhöhten Stickstoffanteil auf 40m, Stress hinzu. Ich reagierte nicht mehr 100% und konnte meinen Hauptautomaten nicht mehr greifen (Fehler 4). Ich signalisierte Ueli, dass ich keine Luft mehr habe und wollte nach seinem Oktopus greifen, welcher sich auch nach 2x fest ziehen nicht von der Plastikhalterung (Fehler 5) lösen wollte. Ich schaute Ueli in die Augen und signalisierte ihm "Buddybreathing", was wir bis dato nicht mehr geübt hatten (Fehler 6). Er reagierte nicht, also wurde ich, aufgrund des langsam steigenden Luftbedarfs aktiv. Bevor ich seinen Automaten zum Mund raus zog, hielt ich den Automaten fest und wartete, bis er einen vollen Atemzug nahm. Dann zog ich Ihn aus dem Mund. Dies führte zu einer erhöhten Stresssituation für Ueli, worauf seine Atemwege dicht machten und als er seinen Oktopus nicht greifen konnte, kam Panik auf. Bevor ich einen Atemzug nehmen konnte, leitete Ueli einen unkontrollierten Notaufstieg ein. Ich konnte ihn nicht mehr greifen um ihn zu beruhigen. Da ich selbst ohne ausziehen des jackets nicht in der Lage bin, meine Ventile zu drehen (Mono Flasche, Sportjacked) und ich keine Zeit mer hatte, leitete ich ebenfalls einen Notaufstieg von 40m ein.

Was sonst 15 Minuten benötigt, dauerte knappe 15 Sekunden, die längsten 15 Sekunden meines Lebens. Ich konzentrierte mich darauf, mit aller Kraft auszuatmen und möglichst in Richtung Ufer nach oben zu tauchen. Als der Zeitpunkt kam, wo ich dachte, jetzt ist Ende im Gelände, lagen noch 25m vor mir; eine sehr lange Distanz. Mein Blickfeld schränkte sich stark ein auf den letzten Metern, doch ich kam hoch, ich atmete tief ein, sah mich um und konnte Ueli nicht sehen, aber hören - er rief bereits nach Hilfe. An diesem Tag waren zum Glück viele andere Besucher beim Parkplatz die uns erkannt hatten und die Rettungskräfte alarmierten. Ich schwamm automatisch mit letzter Kraft zum Ufer bis mich 4 Hände von hinten packten und ich erleichtert ausatmen konnte. Ueli wurde von einem vorbeifahrenden Boot aufgeladen und zum Ufer gebracht. Die Erstversorgung mit Sauerstoff war sofort gewährleistet, neben unserer eigenen Flasche standen auch noch weitere 100% Sauerstoffflaschen zur Verfügung und wir wurden sofort betreut. Einige Minuten später kamen dann die Einsatzkräfte und brachten uns in den Universitätsspital Zürich. Da keiner von uns Anzeichen von einer DCS aufwies, musste keiner mit der REGA transportiert werden.

Beide konnten nach 24h Spitalaufenthalt und 100% Sauerstoffversorgung nach Hause fahren ohne Verletzungen, ausser vielleicht einem Schock. Glück im Unglück.


Fehleranalyse & was wir daraus gelernt haben
Gerne möchte ich kurz auf die einzelnen Fehler eingehen, denn wenn mans chon die Gelegenheit hat, sowas glimpflich zu überstehen, sollte man auch die Fehler erkennen und Schlüsse daraus ziehen.

Fehler 1: Beim Abstieg wurde mit der Lampe mehrmals "alles in Ordnung" signalisiert. Hier gilt es künftig eherlicher zu sein. Das kleinste Anzeichen eines Tiefenrausches; Heiterkeit, Schwindel etc. etc. muss sofort angezeigt werden. Der Gedanke "das ist normal", "ich hab es unter Kontrolle" oder "wird schon wieder" gibts nicht. Anzeigen, etwas Aufsteigen und dann langsam einen neuen Versuch starten oder den Tauchgang auf der Tiefe beenden. Des weiteren gilt: kein Tropfen Alkohol die letzten 24h vor einem solchen Tauchgang.

Fehler 2: Niemals den Hauptautomaten aus der Hand geben. In einem Notfall kann man immer noch aus einem abblasenden Automaten atmen. Das ist auf 40m zwar leichter gesagt als getan und in einer Stressituation sicherlich nochmals etwas anspruchsvoller, trotzdem ist es Luft die einem den Arsch retten kann.

Fehler 3: Des andern Ausrüstung kennen ist eine Sache. Ein Ventil auf Gut Glück zudrehen eine andere. Bei einem abblasenden Automaten wird künftig zuerst die Luftzufuhr sichergestellt, dh. der Buddy stellt diese sicher und dreht erst dann das Ventil zu. Es dem Schlauch entlang gefahren und das richtige Ventil zugedreht. Die Ventilknöpfe sind zu kennzeichnen bzw. das "Backup-System" ist Gelb zu markieren. So ist klar, dass wenn ich den gelben Oktopus im Mund hab, wird nicht das gelbe Ventil zugedreht. Ebenfalls gezeigt hat dies, dass Ventil-Drill notwendig ist - auch gegenseitig. Eine Doppelflasche, bei der man selber an die Ventile kommt ist ebenfalls nicht verkehrt, aber auch das will geübt sein!

Fehler 4: Das Rückholen eines Automaten ist keine schwere Sache. Dies ist vorallem eine Folge von Fehler 2. Wichtig, gibt einem der Buddy seinen Hauptautomaten, unbedingt zurückgeben oder vorne beim Buddy deponieren, nicht hinter den Buddy nehmen und dort riskieren, dass man nicht mer an den Automaten kommt. Am besten aber: diesen gar nie aus der Hand geben bzw. wenn er nicht im Mund ist, am Jacked befestigen!

Fehler 5: Plastikhalterungen, Karabiner, Schnallen oder der gleichen lassen sich in einer Stresssituation nicht problemlos lösen. Wenn nicht DIR-Konform mit Longhose am Hauptautomaten getaucht wird (meine neue Konfiguration), dann mit einem Magnetverschluss, der sich einfach lösen lässt, den Oktopus befestigen, um eine solche Situation zu verhindern.

Fehler 6: Buddybreathing ist, auch wenn es sehr selten benötigt wird, etwas wichtiges, das man üben muss. Übungen mit Wechselatmung sind von jetzt an immer ein Teil der Tauchgänge.

Allgemeines Fazit
Ein generelles Überdenken der eigenen Ausrüstung ist nicht verkehrt. So haben wir uns nun die langen Schläuche abgekupfert und ich bereits 2 Hauptautomaten (Tec3-Set) zugelegt. So kann bequem dem andern das Ventil zugedreht werden und in Ruhe gearbeitet werden.
Ebenfalls ein wichtiges Fazit ist, dass Übungen auf 5-10m zwar gut und recht sind, mit einem Tauchgang in 40m Tiefe aber nichts gemeinsam haben. Übungen müssen auch mal auf 30m durchgeführt werden und vorallem sehr oft wiederholt werden, so oft wie möglich. Um etwas "automatisch" zu können in einer Stressituation, muss man es tausende Male gemacht haben. Das war bei uns definitv nicht der Fall.
Leztes Fazit ist, dass wir ohne Doppelflaschen keine 40m Tauchgänge mehr machen werden.

Was wurde nach dem "Zwischenfall" gemacht?
Zuerst ist es wichtig, einen Arzt aufzusuchen und eine erneute Tauchsportärztliche Untersuchung durchzuführen, falls irgendwelche Folgeschäden entsanden sind, die man noch nicht bemerkt hat. Danach gilt es, die Ausürstung zu überprüfen. Die Automaten wurden komplett revidiert (Grosser Service) und die Flasche inspiziert. Hier zeigte sich auch der Grund für den abblasenden Automaten. Die Flasche hatte einen 6-fachen Feuchtigkeitsgehalt drin, was jeden Automaten zum Abblasen gebracht hätte auf 40m - auch meinen Oktopus vermutlich.Wie kann man das verhindern? Die Ausrüstung immer sorgfältig trocknen, vor dem Füllen und nach dem Tauchen immer auch das Ventil putzen bei Flasche und 1. Stufe. Und immer nur bei einer Vertrauenswürdigen Füllstation füllen.
=> Wir haben grundsätzlich immer alles davon beachtet, aber irgendwo kann mal was reingekommen sein, oder eine Füllstation den Filter nicht gewechselt haben und schon ist es passiert.

Danksagung
Wir danken allen Beteiligten für das gute Reagieren sowie den Rettungskräften für den Super Einsatz. Wir werden Euch beim nächsten "Geburtstag" der Greenhorndiver gerne auf eine Wurst und ein Bier einladen.

Eure Greenhorndivers


3 Kommentare:

  1. Vielen Dank für euren offenen und selbstkritischen Bericht zu diesem Ereignis

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  2. Sehr ehrlicher Bericht. Gibt es wenige davon. Danke dafür

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  3. Sehr ehrlicher Bericht. Gibt es wenige davon. Danke dafür

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